Vitamin D3 ist nicht gleich Sonnenlicht!

Immer mehr Menschen greifen zur Vitamin-D3-Supplementierung – besonders in lichtarmen Monaten. Dabei wird oft vergessen: Vitamin D ist nur ein Faktor unter vielen, den Sonnenlicht beeinflusst. Wer glaubt, mit einer Tablette die Sonne ersetzen zu können, unterschätzt die komplexen, tiefgreifenden Effekte natürlicher Lichtstrahlung – insbesondere auf unsere Mitochondrien, unser Hormonprofil und unsere Langlebigkeit. Neue Erkenntnisse zeigen: Wer die Sonne meidet, könnte trotz Supplementierung schneller altern.
Kann Vitamin-D3-Supplementierung Sonnenlicht ersetzen?
In der klassischen Labordiagnostik wird meist nur ein Marker analysiert: 25(OH)-Vitamin D3 im Blut. Mit Supplementen wird dann gezielt dieser Wert erhöht – scheinbar effizient. Doch das greift zu kurz. Denn Vitamin D3, das über die Haut durch Sonnenlicht gebildet wird, liegt in einer anderen Form vor: Vitamin D3-Sulfat. Diese wasserlösliche Form kann sich möglicherweise anders im Körper verhalten und wird derzeit wissenschaftlich intensiver untersucht. Künftig könnte sich zeigen, dass sie zusätzliche biologische Funktionen erfüllt.
Noch wichtiger ist aber: Sonnenlicht wirkt nicht nur über UVB-Strahlen, sondern entfaltet seine Wirkung über das gesamte elektromagnetische Spektrum. Besonders Infrarotstrahlen (insb. nahes Infrarot, NIR) dringen tief in die Haut ein und stimulieren dort biologische Prozesse – unter anderem in den Mitochondrien, unseren zellulären Kraftwerken. Eine simple Tablette kann das nicht leisten.
Sonnenlicht und Melatonin
Wenn man „Melatonin“ hört, denken die meisten an Schlaf. Doch Melatonin ist viel mehr als nur ein Einschlafhormon. Tatsächlich werden nur rund 5 % des körpereigenen Melatonins in der Zirbeldrüse nachts gebildet – die übrigen 95 % entstehen tagsüber in den Mitochondrien, im Darm und auf der Haut.
Melatonin und Mitochondrien
Infrarotstrahlen aus dem Sonnenlicht dringen tief in das Gewebe ein – bis zu den Mitochondrien. Dort könnten sie die Bildung von mitochondrialem Melatonin fördern. Und das hat enorme Bedeutung: Melatonin ist eines der stärksten Antioxidantien (es wirkt bis zu zehn mal stärker als Vitamin C), das freie Radikale neutralisiert – und genau dort, wo sie entstehen: in der Mitochondrienmembran bei der Energieproduktion.
Ohne diesen Schutz entstehen oxidativer Stress, Entzündungen und langfristig Zellschäden, die mit einer Vielzahl von Erkrankungen verbunden sind – darunter Alzheimer, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und chronische Erschöpfung. Ab dem 40. Lebensjahr sinkt die mitochondriale Leistungsfähigkeit drastisch.
Melatonin aus Nahrungsergänzungsmitteln wirkt systemisch und erreicht nicht gezielt die Mitochondrien. Sonnenlicht hingegen könnte ein direkter „Mitochondrien-Booster“ sein. Wer die Sonne meidet und sich allein auf Vitamin D3 verlässt, reduziert das Licht auf einen isolierten Faktor – und verpasst den größten Hebel für Energie, Zellgesundheit und potenziell sogar Langlebigkeit.
Richtig Sonnenbaden: Die Praxis
Morgens:
Rausgehen mit dem Sonnenaufgang. Schon 1–10 Minuten (je nach Bewölkung, Jahreszeit, Standort) Blick in Richtung Sonne synchronisieren deinen zirkadianen Rhythmus. Das optimiert Cortisol, Dopamin und Melatoninproduktion – essenziell für Fokus, Stimmung und Schlafqualität.
Mittags:
Hier ist UVB hoch. Wenn direkte Sonne zu intensiv ist: Schatten oder Wälder bevorzugen. Bäume reflektieren zwar sichtbares Licht, lassen aber Infrarot durch. Als natürlicher Sonnenschutz eignen sich mineralische Filter wie Zinkoxid. Diese blockieren UV, lassen aber Infrarot passieren – im Gegensatz zu chemischen Filtern. Für längeres Sonnenbaden sowie zur Stimulierung von Vitamin D sollte die Haut langsam vorbereitet werden. Starte bei wenig gebräunter Haut mit 15 mins. Sonnenbaden (ohne Sonnencreme) und steigere bis maximal 45 Minuten. Auch wenn ich ich grundsätzlich für ganzkörper Sonnenbaden bin, findet sich die höchste Dichte an Vitamin D Rezeptoren an den Unterarmen.
Abends:
Infrarot ist wieder stark. Ideal zum "Mito-Aufladen". Drinnen sollte das Licht warm (<2700 K), unter Augenhöhe und bestenfalls frei von Blaulicht sein. Vermeide Deckenstrahler und LED-Fluter. Stattdessen: klassische Glühbirne oder spezielle Blaulichtfilter-Lampen. Online finden sich noch Anbieter für alte Glühlicht-Technologien – ideal für Schlafhygiene und Hormonbalance.
Fazit
Vitamin D3 ist wichtig – keine Frage. Doch es ist nur ein kleiner Teil des Sonnenlicht-Spektrums, das uns weit mehr liefert als nur einen Nährstoff. Wer ausschließlich supplementiert und die Sonne meidet, verpasst die kraftvollen, systemischen Effekte von natürlichem Licht: auf unsere Mitochondrien, unsere Hormone – und möglicherweise unsere Lebensdauer. Sonnenlicht ist ein uraltes, kostenloses Heilmittel – und vielleicht der unterschätzteste Biohack für Langlebigkeit.
Dein Sebastian
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Quellen
Bartman, S., Coppotelli, G., Ross, J.M., 2024. Mitochondrial Dysfunction: A Key Player in Brain Aging and Diseases. Curr Issues Mol Biol 46, 1987–2026.
Tan, D.-X., Reiter, R.J., Zimmerman, S., Hardeland, R., 2023. Melatonin: Both a Messenger of Darkness and a Participant in the Cellular Actions of Non-Visible Solar Radiation of Near Infrared Light. Biology (Basel) 12, 89.
Zhao, D., Yu, Y., Shen, Y., Liu, Q., Zhao, Z., Sharma, R., Reiter, R.J., 2019. Melatonin Synthesis and Function: Evolutionary History in Animals and Plants. Front Endocrinol (Lausanne) 10, 249.