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Entschlüsselung der 12 Ursachen des Alterns: Ein Leitfaden für ein langes und gesundes Leben

Sebastian Dietrich
November 27, 2024
5 Min
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Entschlüsselung der 12 Ursachen des Alterns: Ein Leitfaden für ein langes und gesundes Leben

Die "12 Hallmarks of Aging" (Ursachen des Alterns) bieten einen umfassenden Rahmen zur Beschreibung der komplexen biologischen Prozesse, die zum Altern führen. Dieses Konzept revolutioniert aktuell die Forschung in der Langlebigkeitsmedizin. Es ist ein regelrechter Wettlauf zwischen Pharmaindustrie, Forschung und Privatinvestoren im Gange, mit dem Ziel, wer knackt den Langlebigkeitscode als erstes. Dadurch erhofft man sich nicht nur, das Altern zu verlangsamen, sondern durch die Verjüngung der Zellen (auf zellulärer Ebene gleicht eine kranke einer alternden Zelle) positiv auf Krankheiten einwirken zu können. In diesem Artikel werde ich die wichtigsten Aspekte jedes einzelnen Kennzeichens des Alterns erläutern und aufzeigen, wie diese Erkenntnisse möglicherweise zu Interventionen führen könnten, die das gesunde Altern fördern und die Zellgesundheit verbessern.

Altern ist ein multifaktorieller Prozess, der durch eine Reihe von biologischen Mechanismen gekennzeichnet ist. Diese Mechanismen sind nicht nur für das Altern selbst, sondern eben auch für die damit verbundenen altersbedingten Erkrankungen verantwortlich. Die "12 Hallmarks of Aging" (2023 kamen drei weitere Kategorie zu den damals 9 Hallmarks hinzu) kategorisieren diese komplexen Prozesse in zwölf Schlüsselbereiche, die ein umfassendes Verständnis des Alterns ermöglichen.

12 Merkmale des Alterns (© INEX vgl. López-Otín et al., 2023)

Historie zu Merkmalen des Alterns

Unser Verständnis davon, was im Körper beim Altern eigentlich passiert, hat sich in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts tappte die Forschung weitgehend im Dunkeln. Eine der ersten prägenden wissenschaftlichen Theorien stammt von Denham Harman, der 1956 die sogenannte Theorie des oxidativen Stresses veröffentlichte.

Seine Grundidee: Altern entsteht durch schädliche Nebenprodukte des Zellstoffwechsels – sogenannte freie Radikale –, die im Körper oxidativen Schaden anrichten. Dieser Schaden summiert sich im Laufe der Jahre und führt schließlich zu Funktionsverlusten, Krankheiten und dem typischen „Altwerden“. Harmans Theorie war revolutionär, weil sie erstmals eine konkrete biologische Ursache für den Alterungsprozess lieferte – und damit auch die Hoffnung, diesen Prozess beeinflussen zu können.

Von der Einen Ursache zu mehreren Merkmalen des Alterns

Im Laufe der Zeit entdeckte die Wissenschaft allerdings, dass oxidativer Stress nur ein Teil eines viel komplexeren Puzzles ist. Immer mehr Studien zeigten, dass Altern auf mehreren Ebenen gleichzeitig stattfindet – und dass verschiedene Mechanismen ineinandergreifen.

Ein entscheidender Durchbruch kam 2013: Ein Forscherteam um Carlos López-Otín veröffentlichte das inzwischen berühmte Paper "The Hallmarks of Aging". Darin wurden erstmals neun zentrale biologische Merkmale des Alterns systematisch beschrieben – von DNA-Schäden über Telomerverkürzung bis zur gestörten Zellkommunikation. Diese neun Merkmale wurden zum neuen Fundament der Altersforschung.

Doch die Forschung blieb nicht stehen. In den Jahren danach kamen weitere Erkenntnisse hinzu. 2023 wurde das Modell schließlich erweitert: Aus den ursprünglichen neun wurden zwölf Merkmale des Alterns. Drei zusätzliche Punkte – chronische Entzündungen, gestörte Makroautophagie und Veränderungen in der zellulären Kommunikation – wurden neu aufgenommen, weil sie nachweislich eine entscheidende Rolle beim Altern spielen.

Heute gelten diese zwölf Merkmale als der wissenschaftliche Rahmen, um das Altern auf molekularer und zellulärer Ebene zu verstehen – und als Ansatzpunkte, um es gezielt zu beeinflussen. Sie sind der Schlüssel dafür, wie du dein biologisches Alter tatsächlich zurückdrehen kannst.

Interessant ist auch, dass die Forschung ursprünglich nach der einen Ursache des Alterns suchte. Harmans Theorie vom oxidativen Stress war ein früher Versuch, alles auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: Ein Auslöser, eine Kettenreaktion, ein Altern. Doch je tiefer die Forschung blickte, desto deutlicher wurde: Es ist komplizierter. Altern ist kein einzelner Schalter, der umgelegt wird – es ist ein ganzes Netzwerk an Prozessen, die sich gegenseitig beeinflussen. Genau aus diesem Grund hat sich das Modell der zwölf Merkmale des Alterns etabliert: ein systemischer, vielschichtiger Ansatz.

Zurück zur Einen Ursache duch die Epigenetik?

Aber spannend ist: Ganz vom Gedanken der „einen Ursache“ hat man sich nie ganz gelöst. Heute richtet sich der Blick zunehmend auf einen neuen Kandidaten, der möglicherweise übergeordnet wirkt – die epigenetischen Veränderungen (sieh im Folgenden). Es wird intensiv diskutiert, ob sie nicht mehr als nur ein Merkmal unter zwölf sind. Vielleicht sind sie sogar der zentrale Taktgeber im Hintergrund – ein Dirigent, der die anderen Prozesse steuert und miteinander verknüpft.

Stell dir das Modell der zwölf Merkmale wie ein großes Kuchenstück vor – jedes Merkmal ein gleich großer Anteil (s. Abb. 1). Doch vielleicht ist das Stück „Epigenetik“ in Wirklichkeit deutlich größer als die anderen. Und vielleicht hält genau dieses Stück das ganze Diagramm zusammen.

Ob das wirklich so ist, wird die Forschung in den nächsten Jahren zeigen. Doch schon jetzt gilt: Wenn wir die epigenetischen Prozesse verstehen – und gezielt beeinflussen –, könnten wir den Alterungsprozess an seiner Wurzel packen.

Einteilung der Merkmale des Alterns

Um all diese Prozesse besser zu verstehen, hat die Forschung die zwölf Merkmale des Alterns in drei Gruppen eingeteilt: die primären Merkmale, die antagonistischen Merkmale und die integrativen Merkmale. Diese Gliederung macht deshalb Sinn, weil sie zeigt, wo der Alterungsprozess beginnt, wie der Körper darauf reagiert – und was am Ende daraus wird. Kurz gesagt die Entwicklung geht von primär zu integrativ, auch wenn das eine sehr vereinfachte Darstellung ist, denn natürlich können auch integrative Probleme entstehen, ohne dass vorher primäre Schäden vorausgegangen sind.

Doch damit du dich beim Lesen nicht durch Fachbegriffe kämpfen musst, habe ich diese drei Gruppen neu und bildlich eingeordnet – damit du sofort erkennst, was im Körper passiert und wie alles zusammenhängt:

  • Angriff auf das Erbgut – hier beginnt der Schaden tief in der Zelle
  • Zellen außer Kontrolle – die Reaktionen des Körpers laufen aus dem Ruder
  • Vom Zellchaos zur Systemkrise – die Folgen ziehen sich durch den ganzen Organismus

In diesen drei Abschnitten zeige ich dir in den folgenden Teilen, was wirklich in deinen Zellen passiert – und wie du gezielt gegensteuern kannst.

Fazit

Altern ist längst kein schwarzes Loch mehr, in dem wir blind herumstochern – es ist heute ziemlich klar, was auf Zellebene wirklich passiert. Statt einer einzelnen Ursache wie dem oxidativen Stress, von dem man früher überzeugt war, wissen wir heute: Altern ist ein Zusammenspiel aus vielen Prozessen, die sich gegenseitig beeinflussen. Genau deshalb gibt es das Modell der zwölf Merkmale des Alterns – eine Art Landkarte, die zeigt, wo Schäden entstehen, wie der Körper reagiert und was am Ende daraus wird.

Besonders spannend: Die epigenetischen Veränderungen rücken immer mehr ins Rampenlicht. Vielleicht sind sie nicht nur ein weiteres Merkmal unter zwölf, sondern so etwas wie der Dirigent, der alle anderen Prozesse steuert.

Die Einteilung in drei Gruppen – Angriff aufs Erbgut, Zellen außer Kontrolle und Zellchaos als Systemkrise – macht deutlich, wie der Körper nach und nach aus dem Gleichgewicht gerät. Und vor allem: dass man an vielen Stellen ansetzen kann, um gegenzusteuern. Altern ist also kein Schicksal, sondern etwas, das man verstehen – und beeinflussen – kann. Im nächste Teil dieser Artikelreihe gehe ich speziell auf die primären Merkmale des Alterns ein.

Dein
Sebastian

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Quellen

López-Otín, C., Blasco, M.A., Partridge, L., Serrano, M., Kroemer, G., 2023. Hallmarks of aging: An expanding universe. Cell 186, 243–278.